Der Geschäftsmann

Relativ kurzfristig buchte ein Geschäftsmann ein Zimmer über ein Portal bei mir. Einen Tag vor Anreise rief er bei mir an, um mich darüber zu informieren, dass er ein weiß-gestrichenes Zimmer wünsche. Vorsichtig erkundigte ich mich danach, ob er sich vielleicht schon die Fotos zu unserer Unterkunft anschauen konnte, denn dort wird eigentlich schnell klar, dass wir kein einziges Zimmer in weiß haben, was ich ihm auch entsprechend behutsam vermittelte. Er sagte recht bestimmt, er habe es gesehen und rufe deshalb jetzt an, da er kein buntes Zimmer haben wolle. Ich entschuldigte mich, dass ich diesen Wunsch leider nicht erfüllen könnte und bot ihm daher an, das Zimmer für ihn ohne Kosten zu stornieren. Da aber alles sehr kurzristig war und er wenig Zeit hatte, entschied er, dass er trotzdem kommen wolle und die Nacht wohl irgendwie überstehen werde.

 

Am nächsten Tag reiste er recht zeitig an und ich hatte Bauchschmerzen, während ich ihn durchs Haus in sein Zimmer führte. Er hatte das Herbstzauber-Zimmer gebucht: gelb mit roten Herbstblättern. Im Zimmer angelangt schnaufte er hörbar und sagte: "Das sieht ja tatsächlich aus wie auf den Fotos!" Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und verließ das Zimmer, als er murmelte: "Na ja, es ist ja nur für eine Nacht."

 

Ich ging zurück in die Küche, weil ich gerade kochte. Nach ca. 20 Minuten setzte er sich mit seinem Laptop an meine Kücheninsel und begann zu arbeiten. Etwas verunsichert versuchte ich, möglichst leise und unauffällig zu sein, um ihn nicht zu verärgern. Denn die Küche, in die er sich gesetzt hat, hat eine rote Wand und ist auffällig in goldenen Wellen gestrichen.

 

Nachdem er ca. eine halbe Stunde vor sich hin gearbeitet hatte, lehnte er sich plötzlich auf dem Hocker zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute sich in der Küche um. Ich dachte nur noch: "Oh je, jetzt kommt's." Mit Falten auf der Stirn und in einem sehr ernsten Ton sagte er schließlich: "Frau Peters! (schnauf) Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie (längere Denkpause) finde ich es tatsächlich richtig gemütlich bei Ihnen!" Mir ist vor Erleichterung fast der Kochlöffel aus der Hand gefallen.

 

Dieser Geschäftsmann hat danach bei jeder Geschäftsreise ein anderes Zimmer gebucht, weil er alle mal ausprobieren wollte. Er brachte schließlich seine Lebenspartnerin mit, um mit ihr das Toskana-Zimmer zu erleben, denn er meinte: "Diese Zimmer musst du mal gesehen haben." Und auch sie zeigte sich begeistert.

 

Mittlerweile ist er aufgrund der häufigen Geschäftsreisen im Schwäbisch Haller Umkreis selbst in die Gegend gezogen, so dass er keine Unterkunft für Übernachtungen mehr braucht. Aber wenn er gerade mal wieder in der Nähe ist und kurz Zeit hat, kommt er nun auf ein nettes "Hallo" vorbei.